Tragesysteme im Test: Schultergurt vs. Hüftgurt
- vom Mai 16, 2014
- von Julian
- in Technik/Tests
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Das Duell: Blackrapid R-Strap gegen Spider Holster SpiderPro
Technik, Tests
Heute geht es um verschiedene Tragesysteme für Kameras, genauer gesagt um die Frage „Schultergurt oder Hüftgurt“ – Blackrapid R-Strap gegen Spider Holster SpiderPro.
Von Anfang an war mir klar, dass der standardmäßig beigelegte Kameragurt, der um den Hals gelegt wird, für meine Zwecke nicht in Frage kommt. Denn der sieht nicht nur extrem touristenmäßig aus, sondern ist auch unpraktisch für die Bedienung und das Gewicht der Kamera zieht auf Dauer sehr stark am Hals- und Nackenbereich.
Eine weitere Alternative, die direkt von den Kameraherstellern wie Canon oder Nikon angeboten wird, ist die Handschlaufe an der rechten Seite der Kamera (durch den Sucher blickend). Die Handschlaufe mag für kleinere Kameras ganz praktisch sein, eignet sich aber aus meiner Sicht nicht für wirklich große, schwere Kameras. Zudem ist die Kamera nicht ausreichend vor einem Herunterfallen geschützt, da die Hand leicht herausrutschen kann bzw. die Kamera bei jeder handbewegung hin- und herbaumelt. Zieht man hingegen die Schlaufe so fest, dass die Kamera richtig gut sitzt, kommt man in Schwierigkeiten, wenn man sie immer wieder mal aus der Hand legen will. Somit ist man mit dieser Lösung ebenfalls eher schlecht bedient.
Es bleiben zwei weitere Gruppen als Tragesystem: Schulter-Sling-Gurte, die quer über den Körper getragen werden und einen schnellen Zugriff ermöglich und Hüfttragegurte, bei denen sich das gesamte Kameragewicht auf die Hüften verteilt und der Rücken somit geschont wird.
Im Folgenden gehe ich auf beide Systeme näher ein, erkläre euch meine ganz persönlich empfundenen Vor- und Nachteile, ziehe ein Fazit und stelle euch zuletzt die Variante vor, die selbst ich nach längerem Ausprobieren im Einsatz habe.
Schultergurt-Tragesysteme: Blackrapid R-Strap RS-7
Überblick
Hier gibt es verschiedene Anbieter. Die beiden größten und bekanntesten sind wohl Sun-Sniper von California Sunbounce und Blackrapid. Auch wenn ich sonst großer Fan von California Sunbounce bin, habe ich mich beim Thema Schultergurt für ein Modell aus dem Hause Blackrapid entschieden. Hier gibt es eine sehr große Auswahl und ca. 10 verschiedene Modellen und Zubehörteilen. Ich habe mich letztlich für den RS-7, einen ergonomisch geformten und gepolsterten Gurt entschieden. Eine gute Wahl, vor allem in Ergänzung mit dem optionalen MOD BRAD Kameragurt-Stabilisator, der aus dem Gurt eine Sportvariante (Modell RS-Sport) macht, die man aber jederzeit abnehmen kann. Ich nutze den Gurt jedoch fast immer ohne die Sporterweiterung. Wenn man sich jedoch schnell fortbewegt oder z. B. Fahrrad fährt, ist diese Erweiterung wirklich von Vorteil, da der Gurt dadurch noch weniger verrutscht und die Kamera nicht so stark umherbaumelt.
Der Blackrapid RS-7 Schultergurt
Vorteile
Besonders liebe ich an dem Gurt den extrem schnellen Zugriff auf die Kamera. Hierfür wird keine zweite Hand oder eine Verrenkung der Finger benötigt. Einfach am Gurt entlang nach oben ziehen und sobald die Kamera nicht mehr gebraucht wird, kann diese einfach sanft fallen gelassen werden und sie gleitet am Gurt nach unten bis zur Hüfte.
Ein weiterer Vorteil ist die Tatsache, dass die Kamera wirklich gut gesichert ist. Das Gewinde für den Karabinerhaken sitzt bombenfest und der Karabinerhaken selbst lässt sich zusätzlich mit einem kleinen Schraubverschluss gegen unbeabsichtigtes Öffnen sichern. Lässt man die Kamera fallen, fängt der Gurt sie ab und somit ist ein Herunterfallen nahezu ausgeschlossen. Wer sich zusätzlich gegen Diebstahl und ein unbemerktes Durchtrennen des Gurts mit einer Schwere oder einem Messer schützen will, kann als Zubehör eine Gurtverstärkung mit Drahtseilen von Blackrapid ergänzen. Dies ist eher für Event- oder Reisefotografen interessant. Bei Portrait- und Hochzeitsshootings kann man aus meiner Sicht darauf verzichten. In Sachen Sicherheit ist der Gurt also TOP.
Großansicht des Karabinerhakens beim Blackrapid RS-7
Die Bedienung der Kamera wird durch die eingeschraubte Befestigungsschraube und den Karabinerhaken bei Querformatsfotos überhaupt nicht, bei Verwendung im Hochformat mit Hochformatsauslöser nur geringfügig beeinträchtigt. Somit auch in Sachen Handling sehr komfortabel.
Der Gurt lässt sich zudem für den Transport im Auto sehr klein zusammenfalten und passt so in jede etwas größere Fototasche oder Rucksack für den längeren Transport.
Nachteile
So toll die Vorteile sind, so hat das System aus meiner Sicht auch zwei Nachteile: erstens – und das ist der für mich gravierende Nachteil – geht das Gewicht der Kamera auf Dauer sehr stark auf die Schultern. Nach mehreren Stunden Shooting merkt man selbst bei Mittelklassemodellen die hohe Belastung und Rücken- und Nackenverspannungen sind keine Seltenheit. Wenn man an dem Gurt eine Canon der 1er Serie mit einem 70-200mm Objektiv hängen hat, kommen schnell 2,5 kg und mehr zusammen. Das ist auf Dauer nicht sehr angenehm.
Ein weiterer Nachteil liegt in der fehlenden Erweiterungsmöglichkeit von Zusatztaschen für weitere Objektive, Blitzgeräte oder sonstigem Zubehör. Zwar gibt es eine kleine Zubehörtasche in Größe eines Smartphones, die an den Gurt geklickt werden kann, allerdings passt da nicht wirklich viel rein. Im Grunde bleibt nur eine Ergänzung mit Rucksack/Slingtasche, die dann aber unter Umständen den Gurt behindern können. Eine weitere Möglichkeit ist ein Tragesystem an der Hüfte, zu dem ich nun komme.
Hüftgurt-Tragesysteme: Spider Holster SpiderPro
Überblick
Der Spider Holster ist ein stabiles und massiv gefertigtes System, um die Kamera mit einer Adapterplatte über das Stativgewinde an einem Gürtel zu befestigen. Das System gibt es entweder als eigenständigen Gurt oder als Erweiterung für modulare Hüftgurte anderer Firmen wie den ThinkTank ProSpeed Belt oder der Street & Field (S&F) Serie von Lowepro. Da ich großer Fan von den Lowepro Tragesystemen bin und an den Hüftgurt nicht nur die Kamera, sondern auch weitere Taschen für Objektive und Zubehörteile wie Blitze, Akkus und Speicherkarten anbringen wollte, habe ich mich für die passende Lowepro Erweiterung entschieden. Bei meinem Modell handelt es sich um den Lowepro Deluxe Technical Belt, der in zwei Größen (S/M oder L/XL) zu bekommen ist. Ich selbst habe die kleinere Version (S/M), die immer noch gut Luft in beide Richtungen hat.
Die eigentliche Halterung, die am Gürtel bzw. Hüftgurt montiert wird, hat einen kleinen Hebel, der sich in zwei Positionen bringen lässt. In der Standardposition ist er nach unten geklappt und sichert somit die Kamera vor einem nach oben rutschen. Ein Herausfallen ist also nahezu ausgeschlossen. Dafür muss bei jeder Entnahme der Kamera der Hebel kurz nach oben angetippt werden. Das ist mit nur einer Hand sehr fummelig bis kaum möglich und daher wird in der Regel die zweite Hand benötigt. Lässt man den Hebel in der oberen Position eingerastet, ist die Kamera immer freigegeben, was unglaublich Geschwindigkeit im Herausnehmen mit sich bringt. Allerdings ist so bei einem schnellen Rennen oder Springen sowie beim Vorbeugen oder Hinlegen eine sichere Position nicht unbedingt gewährleistet.
Spiderpro Holster Modul am Gürtel
Vorteile
Der größte Vorteil von diesem System ist für mich der sehr hohe Tragekomfort. Rückenschmerzen und Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich gehören damit der Vergangenheit an. Anfangs kam es mir etwas merkwürdig vor mit einem voll bestückten Gurt unterwegs zu sein, weil die Gewichtsverteilung ungewohnt ist und man sich wesentlich breiter fühlt als normal. Das Equipment behindert aber nicht und ist gerade bei schwerem Material im Vergleich zu einer Schultertragelösung wesentlich angenehmer.
Die Adapterplatte, an der der Haltepin festgeschraubt wird, ist sehr flach und gut geformt. Somit wird die Bedienung der Kamera weder im Quer- noch im Hochformat gravierend eingeschränkt.
Ein weiterer Vorteil der Hüftgurtlösung ist – wie bereits zuvor angedeutet – die Möglichkeit, sehr einfach und unkompliziert, weitere Taschen zu ergänzen. So habe ich z. B. den Lowepro Lens Exchange 200 AW und den Lowepro Utility Bag 100 AW mit an den Gurt gehängt. Darin lassen sich 2-3 weitere (L-)Objektive, Blitze und/oder sonstiges Zubehör verstauen. Für die meisten Einsätze reicht mir ein voll bestückter Gurt vollkommen aus. Ich muss keinen weiteren Rucksack oder Slingtasche mit mir herumschleppen, sondern ich kann die komplette Ausrüstung nah am Körper tragen.
Spiderpro Holster am Lowepro Street & Field Technical Deluxe Belt
Nachteile
Den gravierendsten Nachteil sehe ich in der Entscheidungsfrage, in welcher Position der kleine Sicherungshebel gelassen werden soll. Wie bereits im Überblick geschrieben, nimmt man je nach Wahl einen nicht zu unterschätzenden Nachteil in Kauf: entweder lässt sich die Kamera schnell entnehmen, nimmt aber ein Absturzrisiko in Kauf (untere Standardposition des Hebels) oder aber eine Entnahme ist umständlich und nahezu nur mit zwei Händen gut möglich (obere Position des Hebels). Mir ist aber sowohl eine schnelle Entnahme als auch absolute Sicherheit gegen ein Rausrutschen und Herunterfallen wichtig.
Ein weiterer, aber eher zu vernachlässigender Nachteil ist die Tatsache, dass der Hüftgurt mit montiertem Spider Holster deutlich mehr Platz wegnimmt als der Blackrapid Schultergurt. Das ist immer dann relevant, wenn man bis zum eigentlichen Einsatz unterwegs ist. Während sich der Blackrapid in jede noch so kleine Tasche mit reinquetschen lässt, passt der Spider Holster kaum in eine Tasche und muss somit immer extra transportiert werden. Allerdings ist das nicht wirklich dramatisch, aber trotzdem wert, es zu erwähnen.
Zusammenfassung: Vor- und Nachteile der Tragesysteme
Beide Tragesysteme haben Vor- und Nachteile: während mir die Schultergurtlösung besonders durch die hohe Sicherheit gegen ein Herunterfallen der Kamera und die sehr schnelle Zugriffsmöglichkeit gefallen hat, punktet die Hüftlösung durch eine große Erweiterbarkeit um weitere Zubehörtaschen und vor allem ein rückenschmerzfreies Arbeiten auch bei langen Shootings, was besonders bei Hochzeiten ins Gewicht fällt.
Da ich ein großer Fan von Pro und Contra Gegenüberstellungen bin, habe ich zur besseren Übersicht nachfolgend eine Bewertungstabelle angefertigt. Natürlich beruhen alle Bewertungen auf meinem subjektiven Empfinden und sind immer in Relation zu anderen Varianten zu verstehen:
Schultergurt (Blackrapid RS-7) | Hüftgurt (Spider Holster an Lowepro S&F) | |
Schnelligkeit im Zugriff | ++ | + (offen) / – (geschlossen) |
Bedienung / Handling der Kamera | ++ | ++ |
Sicherheit gegen Herunterfallen | ++ | – (offen) / + (geschlossen) |
Sicherheit gegen Diebstahl | + | + |
Bewegungsmöglichkeit | + | + |
Platzbedarf bei Nicht-Benutzung | ++ | 0 |
Tragekomfort / Gewichtsbelastung | – | ++ |
Erweiterbarkeit Zusatztaschen | – | ++ |
Mein Fazit
Wie habe ich mich entschieden? Welches Tragesystem für meine Kameraausrüstung benutze ich? Nun, ich nutze beide. Und zwar meistens gleichzeitig! Warum? Weil ich so die Vorteile beider Systeme nutzen kann, ohne gleichzeitig die Nachteile in Kauf zu nehmen.
Nur wenn ich privat mit ganz kleiner Ausrüstung unterwegs bin (z.B. Canon EOS 100D mit 40mm Pancake Objektiv), nehme ich lediglich den Blackrapid R-Strap. Sobald ich mehr Ausrüstung dabei habe kommen beide Systeme zum Einsatz. Das handhabe ich dann so: an der Kameraunterseite selbst ist zunächst einmal die Spider-Grundplatte über das Stativgewinde angebracht. In einem der Löcher steckt dann der Pin für den Spider Holster und in einem anderen freien Loch (mittig platziert) steckt dann die Öse für den Karabinerhaken von dem Schultergurt.
Doppelte Befestigung beider Tragesysteme am Stativgewinde
Der Sicherungshebel am Spider Holster ist immer in der oberen Position. Das bedeutet, dass ich ganz schnell und einhändig die Kamera jederzeit herausholen kann, ohne den Hebel jedes Mal freizugeben. Gesichert ist die Kamera gegen ein Herunterfallen ja bereits durch den Schultergurt. Die Länge des Blackrapid RS-7 ist dabei so eingestellt, dass die Kamera leicht unterhalb der Hüftposition hängt. Somit lastet kein Gewicht auf den Schultern, sobald die Kamera im Spider Holster ruht. Somit kombiniere ich die Vorteile des schnellen Zugriffs und der Sicherheit, ohne jedoch auf den angenehmen Tragekomfort verzichten zu müssen. Außerdem kann ich weitere Taschen am Gurt anbringen und erspare mir somit auch einen Rucksack oder eine andere Umhängetasche.
Ich kann diese Lösung allen empfehlen, die oft länger mit mehr Ausrüstung unterwegs sind und auch Hochzeiten fotografieren.